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Tansania zwischen Intensität und Überforderung: Wann authentische Begegnungen zu viel werden

  • Autorenbild: Alina Kraft
    Alina Kraft
  • 25. Feb. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Tansania begrüßt uns mit seinen grünen, weiten und bergigen Landschaften.

Wir passierten am Abend die Grenze von Malawi, erledigten unsere “neue Land -Dinge”, wie Geld organisieren, Simkarte kaufen etc. und fanden in einem Steinbruch einen Platz für die Nacht.

Kaum angekommen, wurden wir von einigen Männern begrüßt. Sie sprechen Swahili - die meistverbreitete Sprache Ostafrikas. Alle Männer waren komplett verdreckt, trugen zerrissene Kleidung und einer, der sich als Oskar vorstellte, trug an einem Fuß einen Gummistiefel und an dem Anderen einen Flipflop.

Wie die meisten Einheimischen waren auch diese Männer sichtlich verwirrt, dass wir als “reiche, weiße” Touristen hier irgendwo im nirgendwo schlafen wollen. Ich fragte sie nach ihrer Arbeit und ein Mann holte grinsend ein zerfleddertes Blatt Papier aus der Hosentasche, faltete es auf und zeigte uns seine Ausbeute des Tages - ungefähr eine halbe Handfläche voller kleiner Goldpartikel. Mega cool! Max und ich waren so fasziniert, dass uns Oskar einlud, morgen mitzukommen. Und so kam es, dass sie uns am nächsten Morgen abholten und wir einen Fußmarsch durch den Dschungel in die Schlucht unternahmen.

Unten floss ein kleines Gewässer. Die Männer hatten an den Seiten einige Reispflanzen angebaut, denn reich werden sie mit ihrer Arbeit nicht. Für die gestrige Ausbeute verdiente er ungefähr einen Euro! Unglaublich für einen ganzen Tag härteste Schufterei! Zuerst holten wir große Steine aus dem Wasser, um an den erdigen Untergrund zu gelangen. Dieser wurde in eine große Schale geschippt und mit einer speziellen Technik, welche nur der älteste Mann beherrschte, geschwungen. So konnte er den Dreck auswaschen, sodass am Ende nur noch schwarzer Sand und Gold übrig blieb. Es war so ein cooler, aufregender Moment, als wir zum ersten mal etwas funkelndes sahen! Andererseits war es so mühselig! Es dauerte uns schonmal 1-2 Stunden, in denen wir 2 minikleine Stücke fanden, die man kaum mit bloßem Auge sah. Danach bauten die Männer eine Goldwaschanlage an den Fluss, wofür sie mit Spitzhacken eine Ebene in die harte Erde schlugen, welche dann mit Soffen, Säcken und Gittern ausgelegt wurde und das Gold sammeln soll. Nebenbei lernten wir einige Wörter Swahili und sie lernten Deutsch. Der ältere Mann wurde von uns “Papa Gold” getauft und war sichtlich stolz auf seinen Namen! Trotz Sprachbarriere hatten wir viel Spaß zusammen und einen coolen und lehrreichen Vormittag. Das Resultat der Goldwaschanlage bekamen wir nicht mehr mit. Nach 4 Stunden 30 Grad und Sonne, entschieden wir uns wieder hoch zu gehen. Die Männer können das nicht. Sie ziehen bis abends durch. Jeden Tag aufs Neue. Für einen Euro.


Oskar und Papa Gold

Wir durchquerten Tansania von Süd nach Nord und nährten uns mit jedem Kilometer dem Kilimandscharo. Je näher wir kamen, desto größer wurden die Dörfer und voller die Straßen. Die Menschen tragen bunte Kleidungsstücke aus traditionellen Tüchern und Perlenschmuck, welche ihre Zugehörigkeit zur Maasai-Kultur widerspiegelt.


Eine weitere besondere Begegnung erwartete uns einige Tage später, als Hirten an unserem Spot vorbei kamen und uns abrieten hier zu bleiben. Einer der Männer bot uns an bei ihm am Haus zu schlafen und wir nahmen das Angebot an. Er führte uns zu seinem Grund. Dort standen 4 Häuser, darunter ein größeres betoniertes Haus mit Fenstern, 2 mittelgroße Lehmhütten und eine kleine Lehmhütte. Auf dem Grundstück liefen viele Kinder, Ziegen, ein paar Kühe, Hunde und Katzen Herum. - Achja und natürlich seine Frauen. Insgesamt Vier. Polygamie ist unter den Maasai weit verbreitet und akzeptiert. Ein Mann kann bis zu 10 Frauen haben, wobei die Anzahl oft ein Indiz für Reichtum und sozialen Status darstellt.

Jede Frau lebt mit ihren Kindern in ihrer eigenen Hütte auf dem Familiengrundstück. An der Größe und Ausstattung der Hütten konnten wir genau erkennen, welche Ränge seine Frauen haben. Auch die Kinder wachsen in diesen Rängen auf, so tragen die beiden Mädchen der “Ersten” Frau schicke, saubere Kleider und haben das Privileg zur Schule gehen zu dürfen. Die Söhne der rangniedrigeren Frauen sehen teilweise wirklich verwahrlost aus und wurden von dem Mann (ihren Papa) völlig ignoriert. Das ist alles sehr befremdlich und macht mich traurig.

So richtig wohl fühlten wir uns nicht. Aber jetzt wieder weh zu fahren wäre auch richtig komisch. Also bleiben wir hier. Wir hatten nicht den Eindruck, dass die Frauen sich über unseren Besuch freuen, hinzu kommt die Sprachbarriere und der Mangel an Privatsphäre, denn wir standen MITTEN zwischen den Hütten und wurden von allen Seiten misstrauisch beäugt.

Am Abend kamen wir uns dann doch etwas näher und ich zeigte den Frauen unser Auto. Vor allem die Kinder waren zu unserer Belustigung total fasziniert von den Schubladen, welche einfach so “verschwinden”, wenn sie reingeschoben werden.



Geweckt wurden wir von lautem MÄÄÄÄÄH, welches die Ziege von sich gab, als sie direkt neben der Perle gemolken wurde. Dieser Geruch von Ziege, Verwesung und warmer Milch stieg mir in die Nase und ich hörte die Geräusche der Frau, welche die Milch sofort trank. So wurde ich auch noch nicht geweckt.

Ehrlich gesagt wollte ich einfach los fahren. Weg von dem Grundstück, weg von den Kindern, deren Wunden von Fliegen bedeckt waren und niemand sich drum scherte und weg von den ernsten Blicken der Frauen, die auf mir hafteten.

Mir ist bewusst, dass es genau diese Momente sind, die diese Reise besonders machen und uns das ungefilterte Leben der Menschen hier zeigen. Manchmal ist es dennoch einfach anstrengend, überfordernd und zu viel für mich. In solchen Momenten wünsche ich mir einfach einen Rückzugsort, eine Tür, die ich hinter mir schließen kann und der Situation entfliehe.

Wir werden jeden Tag aufs Neue mit Themen konfroniert, welche ich eigentlich für eine ganze Weile durchdenken und einordnen müsste. Dafür bleibt gar keine Zeit. Da steht hier ein Kleinkind mit Spitzhacke auf dem Feld, da erfahre ich über Tötungspraktiken von Menschen mit Albinismus und abends landen wir in einem Maasai-Dorf. Ich freue mich ehrlich gesagt immer mehr auf unsere “Zwangspause” in Kenia, bei welcher wir für mehrere Tage am Strand stehen, ein bisschen Kitesurfen und genau wissen, dass wir genau dort einschlafen werden, wo wir aufgewacht sind.

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