Nigeria
- Alina Kraft
- 30. Nov. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Nigeria - wo fange ich an…
Das bisher überraschendste, schönste, anstrengendste und schlimmste Land zugleich auf unserer Reise nach Südafrika.
Aber von vorn - zu einer der schlimmsten Dinge gehört definitiv die Beantragung unserer Visa für Nigeria. Von Deutschland aus gar kein Problem, nur müssten wir dann innerhalb von 3 Monaten einreisen und das ist angesichts der weiten Strecke von Deutschland schon sehr sportlich. Wir wollten außerdem ja eigentlich gar nicht wirklich so weit fahren. In Westafrika ist die Beantragung generell möglich - aber schon schwieriger. In jeder Landeshauptstadt gibt es zwar eine Nigerianische Botschaft in den Hauptstädten, welche im Internet ankündiget für JEDEN Touristen ein Visum auszustellen - die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Wir fuhren insgesamt in 6 Hauptstädte und glaubt mir - man möchte nicht mit seinem eigenen Autos in Afrikas Hauptstädte rein fahren! Was hats gebracht? Nichts! Immer wieder dumme Ausreden, wie: Nigeria wäre noch zu weit weg, es gäbe keine Visa für Touristen, der Botschafter wäre momentan nicht da…bla bla bla. In einigen Botschaften durften wir nicht einmal mit den Botschaftern sprechen, weil wir schon höchst unfreundlich von den Türstehern oder Empfangsdamen rausgeworfen wurden. Es war frustrierend! Letzte Chance: Das Visum im Nachbarland Benin zu beantragen. Dafür mussten wir erst Resident werden (kostete und dauerte schonmal eine ganze Woche), um dann das Visum online zu beantragen und zu zahlen. Mit diesem Stapel an Formularen gingen wir dann gut vorbereitet zu DEM DRACHEN - der Botschafterin, welche ihrem Namen alle Ehre machte. Sie wollte nur mit dem Mann sprechen, nervös ging Max zu ihr rein und kam wenig später kreidebleich wieder raus und meinte nur: “Sie glaubt nicht, dass wir wirklich hier wohnen und arbeiten.”
Natürlich tun wir das nicht! Wir brauchen einfach nur das Visum! Nach langem hin und her fälschten wir für Max ein Arbeitszeugnis in einer Solarfirma der Stadt, zahlten der Dame unverschämt VIEL Geld, damit die werte Frau unsere Visa bearbeitet (Merke: Die bereits bezahlten Visa) und bekamen 3 Tage später wirklich unser langersehntes GO!
Los ging es für uns erstmal Richtung Schwarzmarkt, auf welchem wir für 400 Euro eine ganze Tüte voller Geld abtransportierten. Inflation lässt grüßen.
Man braucht also viel Zeit, viel Geld und gute Nerven für dieses Land, welches man ja eigentlich einfach nur auf dem schnellsten Weg durchqueren möchte. Das ganze Rumgeheule über “was ach so schlimmes in Afrika passieren kann” ist in Nigeria wirklich real. Kidnapping und Raubüberfälle werden in solchen instabilen Ländern zu sehr rentablen Wirtschaftszweigen. Ein Weißer kostet wohl um die 40.000 Lösegeld. Einheimische sind billiger. Das hört man zumindest. Erst 2 Wochen vorher hörten wir von gekidnappten Touristen auf der Route, welche wir später auch passieren würden.
Wir trafen also alle Sicherheitsvorkehrungen, die wir treffen können: Wir suchten uns Reisepartner, welche unserer Reise nebenbei noch viel schöner machten, fuhren niemals im dunkeln und schliefen in gesicherten Hotelparkplätzen oder nahmen uns Zimmer. Das funktionierte gut.
Das anstrengendste Land war Nigeria ebenfalls in vielerlei Hinsichten.
In den ersten 3 Tagen durchfuhren wir über 270 Polizeistops, welche die Straße verbarrikadierten. Wir hielten in einem an und sahen schon die 3 nächsten. Alle wollen wissen wer wir sind, wo wir hinwollen, ob wir ein Visum haben… Eigentlich waren alle Polizisten super nett, nervig nur, dass wir null voran kamen.
Neben den Straßensperren der Polizei gibt es welche vom Militär und zivilen Personen. Alle haben Waffen - meist alte Gewehre aus dem 2. Weltkrieg. Eine bunt zusammengewürfelte Mischung. Die Gewehre tragen sie wie Handtaschen mit sich rum und mir fällt es schon gar nicht mehr auf. In einer Polizeikontrolle wies ich den Polizisten dann aber doch darauf hin, ob er nicht bitte den Lauf aus unserem Auto herausnehmen könnte, wenn er mit uns erzählt.
Naja. Anstrengend war Nigeria aber auch aufgrund der Straßen, wenn man sie noch als solche bezeichnen kann. An manchen Stellen waren sie sehr okay, hörten dann aber einfach auf. Hinzu kommt, dass wir zum Ende der Regenzeit reisten - bedeutet viel Wasser. Nicht die perfekte Reisezeit. Wenn die Straßen also aufhörten, fanden wir tiefe Schlammpfützen und Wasserlöcher vor, in welchen LKW´s steckten und die gesamte Straßen blockierten. In diesen Fällen steht man und wartet… Manchmal gibt es kleine Umwege, welche dann von den Einheimischen blockiert und gegen Bezahlung geöffnet werden - sehr geschäftstüchtig!

Mehr besorgniserregnend als der Gedanken an Kidnapping oder Abzocke, war für mich der Gedanke an den Grenzübergang zwischen Nigeria und Kamerun, welcher die schwierigste Passage auf unserer Reise werden würde. 300 km Offroad-track durch die Berge, keine befestigten Straßen, keine Wege und niemand der dir sagen kann in welchem Zustand sich der Trail befindet. Ich habe Videos gesehen wie Overlander durch tiefen Schlamm gezogen werden, weil ihre Autos es nicht packten und ich hatte einfach schiss, dass etwas kaputt geht oder wir es schlichtweg nicht schaffen würden…
Nun aber erstmal zu den Gründen, wieso Nigeria für mich überraschenderweise das schönste Land unserer bisherigen Reise ist. Das ist es nämlich!
Es sind erstens die Menschen! Schon an der Grenze hörten die Beamten laute Rapmusik, tanzten, machten Witze und hatten das breiteste Grinsen im Gesicht. Ausnahmslos alle Menschen, denen wir begegneten, winktenund zu, grinsten uns an, hießen uns Willkommen in Nigeria, sie interessierten sich für uns ohne nach Geld zu fragen. Ich fühlte mich hier einfach wohl und die positive Energie und Lebensfreude der Menschen übertrug sich auf uns. Wir wurden in Hotels mit einer Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft empfangen, welche wir bisher selten erlebten, durften oft kostenlos auf überwachten Parkplätzen schlafen und kamen mit vielen Leuten schnell in nette Gespräche. Eines Morgens besuchten wir eine Schule - die trommelnden und lauten Kinder lockten uns an und tanzten auf dem Pausenhof, machten Musik und starteten so in den Schultag. Es war Wahnsinn!
Wir fuhren insgesamt knapp 2000 km durch Nigeria- dem dicht besiedeltsten Land Afrikas. Umso östlicher wir fuhren, desto größer wurden die Abstände zwischen den Dörfern und die Landschaft wurde mit jedem Kilometer grüner und bergiger. Uns erinnerte sie manchmal an Österreich, manchmal an Thailand und dann war sie wieder ganz anders als alles, was wir bisher gesehen hatten. Die sich durch die Hügel windenden Wege sind eine wahre Augenweide und man ist an jeder Kurve auf den nächsten Ausblick gespannt.

Doch gerade wenn man sich an die holprigen Wege gewöhnt hat und sich einfach nur zum entspannten Fahren zurücklehnen will, überrascht einen der Track mit Ausspülungen und Passagen, die eher an schlammig steinige Flussbetten statt Wege erinnern. Der Trail verlangte Max und unserer Perle einiges ab und immer, wenn ich dachte schlimmer kanns nicht werden, wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Trotz neuer Reifen rutschten wir auf steilen lehmigen Passagen nur so in den Spurrillen runter, völlig machtlos und unser Diff kratzte nur so erbärmlich auf den Steinen. Mehrere Tage dauerte die Prozedur.

Auf dem Trail wohnten einige Menschen in kleinen Hütten. Ich stellte mir vor wie es wäre fernab jeglicher Zivilisation zu leben - dort wo dich niemand beliefert oder besucht und du selbst dein Dorf nie weiter verlässt, als du zu Fuß zurück legen kannst… Unvorstellbar…
Die Amtssprache Nigerias ist englisch. Die Menschen hier sprechen jedoch ausschließlich ihre Stammessprachen, von denen es unzählig viele gibt.
Wir erreichten nachmittags eine kleine unscheinbare Holzhütte, in welcher unsere offizielle Ausreise stattfindet. Wir entschieden uns die weiteren 7 km zur Immigration Kameruns noch am selben Tag zu fahren. Schlechte Idee, wie sich später herausstellte! Die Wege wurden schlechter und es wurde immer dunkler. Ein Kilometer dauerte eine ganze Stunde. Die Schlammpassagen waren an einigen Stellen mehr als knietief. Wir rutschten im Schlamm gegen einen Felsen, verloren dabei den Kotflügel und ich kann mich nicht erinnern schonmal so aufgeregt gewesen zu sein.
Es wurde stockfinster und wir hatten 2 Optionen:
1. hier zu schlafen, die Perle steckt schräg im Schlamm und ich stehe daneben knöcheltief im Schlamm.
Die Schlammpassage durchfahren, einen Fluss überqueren, einen steilen Berg ins nächste Dorf hochfahren, bei welchem ich bis dahin noch nicht erkennen konnte wie dort der Untergrund beschaffen ist.
Demokratische Entscheidung der Gruppe: Weiterfahren. Mir war zu dem Zeitpunkt alles egal und ich wäre einfach da stehen geblieben in der Hoffnung morgen würde alles besser aussehen.
Wir kamen im Dorf an und schliefen mitten auf dem Dorfplatz zwischen einer Horde Männer und Kindern, die jeden Handgriff hochinteressant fanden.
Am Nächsten Tag ging es so weiter wie es aufgehört hat und wir erreichten am Nachmittag ENDLICH Banjo- die erste Stadt am Ende des Tracks. Wir hatten es geschafft.
Nigeria werde ich nie vergessen! Wir hatten so viele wunderschöne Momente, wie unsere Zeit in der Drillaffenfarm, so stressige Tage auf dem Track und uns überraschte es immer wieder, wie sich das meist gefürchtetste Land sich zum Ort der freundlichsten Menschen und schönsten Landschaften entpuppte. Dankbar, dass wir uns ein eigenes Bild von Nigeria machten durften. Danke Nigeria!
Comments