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Dubai - über Nacht Wolkenkratzer anstatt Lehmhütten

  • Autorenbild: Alina Kraft
    Alina Kraft
  • 13. März 2024
  • 5 Min. Lesezeit


Wie fühlt es sich an, wenn man seit einem Jahr in afrikanischen Ländern unterwegs war, um dann innerhalb einer Nacht in Dubai aufzuwachen?

Wenn Lehmhütten, Bekleidung aus Tüchern und Schotterpisten normal geworden sind.

Wenn es Realität ist, dass sich in kleinen Dörfern im Staub alles um Familie, Dorfgemeinschaft, Nahrungsbeschaffung und Zusammenhalt dreht.

Am Anfang der Reise dachte ich drüber nach wie benachteiligt und “hinterm Mond” die Menschen hier noch leben. Jetzt- nachdem ich Leah und viele weitere Familien kennenlernen durfte und den direkten Vergleich zum anderen Extrem in Dubai erlebte, frage ich mich welche Werte fortschrittlicher sind.


Leah und ihre Familie lernten wir am Diani Beach Kenias kennen, an welchem wir auf unseren Verschiffungstermin warteten. Sie wohnt zusammen mit ihrer Tochter und ihren Enkelkindern in einem selbstgemauerten Haus, verkauft Kleider am Strand und wünschte uns breit grinsend jeden Tag einen guten Morgen und eine gute Nacht. Wir kamen immer mehr ins Gespräch und durften uns ein Bild von ihrem Leben, ihrem Haus und ihrer Familie machen. Leah arbeitet gerne und viel. Ein bisschen ihres geringen Verdienstes schickt sie jeden Tag zu ihrem 96-jährigen Vater nach Nairobi, damit auch er sich etwas zu Essen kaufen kann. Glücklich erzählt sie, wie stolz sie ist, dass er so alt ist. Auch ihr ist es wichtig fit und aktiv zu bleiben, um lange für ihre Familie sorgen zu können. Stolz zeigt sie uns ihr Haus und ich war überrascht von der Ausstattung. Von außen ist es wild gemauert und mit Lehm verputzt. Drinnen ist der Boden gefliest, eine Sitzecke mit Kaffeetisch und gepolsterten Bänken, sowie ein kunstvoll verzierter Holzschrank stehen in der Ecke. Stolz zeigt sie uns ihren hochwertigem Gaskocher auf der Küchenzeile neben zusammengewürfelten Tellern und Besteck. Ihr Traum ist es noch 2 Zimmer anzubauen, den Garten zu vergrößern und eigenes Gemüse zu ernten. Ich habe selten Menschen erlebt, die so viel Liebe und Zufriedenheit ausstrahlen wie sie.


Normalerweise wären wir von Kenia direkt in den Oman geflogen, um unsere Rückreise anzutreten. Aufgrund von Verzögerungen bei der Verschiffung entschieden wir uns dann für einen Zwischenstop in Dubai, wo wir sowieso zwischengelandet wären. Der Kulturschock war vorprogrammiert.


Als Erstes war ich mehr als überrascht wie gut und unkompliziert Einreisen funktionieren können. An den letzten 25 Grenzen wurden Personaldaten in mehreren kleinen Büros - naja, eher Verschlägen- handschriftlich in dicke Bücher abgeschrieben, wir wurden mehrfach bei kostenlosen Prozeduren von Polizisten nach Geld gefragt und verbrachten Stunden an Grenzen. Hier in Dubai wurden meine Augen und mein Personalausweis eingescannt und 2 Minuten später waren wir eingereist. Eine kostenlose Simkarte gab obendrauf- das nenne ich Service!


Alles war neu. An einem Automaten Metrotickets kaufen, um damit über eine riesige Brücke, oberhalb 5 spuriger Straßen zu fahren und im Hintergrund die gläsernen Wolkenkratzer und riesigen Villen vorbeiziehen zu sehen war krass! Wir saßen still staunend in der Bahn und bekamen kein Wort heraus.

Das Klientel in der Bahn hingegen spiegelte nicht unbedingt Glanz und Glamour wieder. Um diese ganzen Megaprojekte günstig umzusetzen, lebt Dubai von der Zuwanderung billiger Arbeitskräfte. Sie kommen aus Ländern wie Indien, Pakistan, Bangladesch, Nepal oder den Philippinen. Unter prekären Arbeitsbedingungen bauen sie neue Attraktionen und Luxusapartments, von welchen der Massentourismus profitiert. Die Zweiklassengesellschaft nimmt somit andere Ausmaße ein! Neben den ausgebeuteten Arbeitskräften, leben in Dubai mehr Milliardäre als irgendwo anders auf der Welt.

Luxuswagen soweit das Auge reicht, Markentaschen, die fetten Klunker und Uhren in den Schaufenstern der Passagen. Wir werden erschlagen von den Wolkenkratzern, welche allein vom hoch schauen für Schwindel sorgen. Lichterketten, hübsch geschmückte Wege, hochwertig eingedeckte Tische, Menschen, die aussehen wie Megastars auf dem roten Teppich.

Der Burj Khalifa ist mit seinen 163 Stockwerken eines der höchsten Gebäude der Welt und steht zusammen mit weiteren ultra hohen Glasriesen im Zentrum Dubais. Nebenan die Dubai-Mall, eines der größten Kaufhäuser, in welchem wir Einblick in das größte Aquarium der Welt hatten und Tage bräuchten, um uns bei den 1200 Geschäften einen Überblick zu machen. Achja- eine Schlittschuh Bahn gibts auch…Größer, Höher, Besser, Dubai... Die Stadt ist aber lange nicht fertig, wenn ich mir die zahlreichen Bagger, Kräne und Baustellen anschaue. Und das, obwohl so viele Riesenhotels und Gebäude leer stehen...


Abends sammeln sich viele Menschen vor der Mall, um die Wassershow anzuschauen. Halbstündlich werden Wasserfontainen, locker 15 Meter hoch, zu Songs arrangiert und gleichzeitig beleuchtet. Die Shows sind frei zugänglich und erzeugen absolute Gänsehaut. Die Wolkenkratzer im Hintergrund sorgen für meinen Eindruck, dass das alles hier eher eine Reise in die Zukunft, als einfach ein paar Flugstunden Richtung Osten sein muss.

Die Glasriesen sind alles andere als stumpfe Blöcke. Jeder Einzelne ist mit Liebe zum Detail, spitzen Dächern, Bögen und Terrassen geplant worden. Palmen, Lichterketten , Skulpturen und kleine Brücken geben dem Platz einen ganz besonderen Charme. Saubere Fußwege, gemähte Grünflächen mit Blumen, Palmen an der Straße… alles ist so anders, so ordentlich und auf eine ganz andere Art und Weise schön.


Eislaufen, Wassershows, in klimatisierten Bushaltestellen auf den Bus warten oder einen Nachmittag in der Skihalle rumcruisen. Da vergisst man ganz schnell, dass wir eigentlich mitten in der Wüste sind.

Woher kommt also das ganze Wasser?

Das wiederum ist gar nicht mal so geil und ehrlich gesagt eine Überlegung gegen den Städtetrip nach Dubai.

Dubai setzt bei der Wassergewinnung auf eine nicht sehr nachhaltige Methode: Die extrem Energieaufwendige Entsalzung von Meerwasser, bei welcher giftige Stoffe entstehen und zurück ins Meer gekippt werden. Diese Methode gefährdet das Meer und die Meerestiere extrem und treibt das Artensterben voran. Verschlimmert wird dies noch durch die Tonnen an Sand, welche für den Bauboom und die Aufschüttung der Inseln aus dem Meer entnommen werden.


Ich fühlte mich in Dubai wie in einer anderen Welt und in einer anderen Zeit. Die ersten Tage war alles irgendwie unreal. Dann fiel mir immer mehr der Schönheitswahn auf, mit welchem ich seit über einem Jahr wieder konfrontiert wurde. In Afrika tragen Frauen Tücher und Röcke, selbstbewusst ihre Kurven und Aussehen spielte einfach keine große Rolle.

Hier reihen sich die Schönheitskliniken aneinander und Menschen mit gemachten Gesichtern, Channelkleidchen und Co posierten am laufenden Band vor diesem Wolkenkratzer, an dem Tisch des 5-Sterne-Restaurants und schauten nach dem Selfie mit dem Fake-Grinsen wieder gar nicht mal so glücklich aus. Kann ja jeder machen wie er möchte aber wieso werden Menschen zu Vorbildern, die nicht sind, was sie nach Außen hin zu sein scheinen… Ein echtes Lächeln, ein wirkliches Gefühl von Glück, welches ich bei Leah spüren konnte, geht vor lauter Selbstoptimierung und Außendarstellung völlig verloren.

Und so verrückt es auch klingt. Vor ein paar Monaten hätte ich ein einfaches Leben in einem kleinen afrikanischen Dorf als primitiv und benachteiligt gewertet. Wenn ich mich heute zwischen diesem und einem Leben der Menschen in Dubai zwischen Selbstdarstellung und Verschwendung entscheiden müsste - fiele meine Entscheidung auf ein Leben wie Leah es führt.




 
 
 

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